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Noch im vergangenen Jahr beklagte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, das nur 12% der Erwerbstätigen teils oder ganz im Home-Office arbeiten, während sicherlich mindestens 40% das könnten. Das hat sich durch die Corona-Pandemie gründlich verändert und die Annahme, dass deutlich mehr geht, eindrücklich bewiesen. Beide Seiten, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber zeigen sich zufrieden damit. Diese Erfahrungen werden die Arbeit auch nach dem Ende der Pandemie noch nachhaltig verändern und deutlich mehr Arbeit in den häuslichen Bereich verlegen.

 

Macht Home-Office krank?

Doch es gibt auch andere Erfahrungen. In der ersten Hälfte 2020 gab es gegenüber der ersten Hälfte des Vorjahres etwa doppelt so viel Krankschreibungen aufgrund psychischer Probleme. In Coaching und Therapie werden immer öfter die Belastungen durch Home-Office zur Sprache gebracht. Das bestätigen auch 2 Studien. Seit 2017 begleitet eine Studie der Stanfort University im Home-Office Arbeitende und beobachtete dabei eine hohe Zustimmung der Betroffenen, mehr Produktivität und weniger Krankschreibungen. Doch nach 2 Jahren kippte es: mehr als 50% der Teilnehmenden wünschten sich in das Büro zurück.

Das bestätigt auch die jüngste Studie der AOK aus dem Jahre 2019. Auch hier äußerten die Befragten eine deutlich höhere Arbeitszufriedenheit. Gleichzeitig aber klagten sie über stärkere psychische Belastungsreaktionen:

Ursachen

Für diese Bilanz sind vor allem folgende Belastungsfaktoren ausschlaggebend:

  • Selbstüberforderung:
    Wer im Home-Office arbeitet glaubt, dem Chef und den KollegInnen im Büro beweisen zu müssen, dass man auch zu Hause ohne Kontrolle produktiv ist. Die verstärkte Konfrontation mit den häuslichen, privaten Anforderungen erzeugt Druck, auch diesen gerecht werden zu müssen. Außerdem fehlen beim Home-Office die klaren Trennlinien zwischen Arbeit, Pause und Feierabend. Angestellte im Home-Office bleiben so immer im Arbeitsmodus und sammeln nahezu doppelt so viele Überstunden an als im Büro.
  • Isolation:
    So störend Kollegen sein können (vor allem durch laute Telefonate im Großraumbüro), letzten Endes sind wir gerne in Gesellschaft. Der informelle zwischenmenschliche Austausch mit Kollegen an der Kaffeemaschine oder in gemeinsamen Pausen ist ein wichtiger Faktor der Arbeitszufriedenheit. Vieles lässt sich bei solchen Gelegenheiten schneller und leichter regeln und viele Informationen laufen nur über diese inoffiziellen Meetings. Nicht alle sind Beziehungskünstler und laufen manche Gefahr, durch das Home-Office sozial zu vereinsamen.
  • Arbeit und Privates verschwimmen:
    Aus dem Lockdown sind noch die Bilder bekannt, in denen Homeworker aus der Küche, einer Wohnzimmer- oder schlimmstenfalls gar aus einer Schlafzimmerecke grüßten, die jetzt provisorisch als Arbeitsplatz dienten. Auch bei besseren Lösungen bleibt, dass die Grenzen zwischen Beruf und Privat aufgelöst sind. Das erschwert auch das Abschalten am Abend. Denn räumliche Wechsel sind auch Kontextwechsel, unterschwellige Signale, die uns in andere Befindlichkeiten bringen. Wer jemals versucht hat, bei sommerlichem Wetter mit einer Schulklasse draußen zu arbeiten, kennt die Erfahrung, das geschlossene Räume Konzentration ermöglichen und die offene Weite zum Abschweifen verleitet. Wenn jetzt die privaten Räume zur Arbeitsstätte werden, verlieren sie ihre Anmutung als private Räume, ihre Anmutung als Rückzugs- und Rekreationsort. Das erschwert das Abschalten
  • Mangelnde Struktur und Selbstführung:
    Im Homeoffice gibt es viele Quellen für Ablenkung. Vielen Menschen fällt es schwer, sich zu konzentrieren und produktiv zu arbeiten, wenn zwischendurch das private Telefon klingelt, die Kinder von der Schule kommen oder der Blick auf den Wäscheberg weitere Anforderungen bewusst macht. Die Versuchung, mal kurz das eine oder andere zwischendurch zu machen, nimmt zu, die Produktivität nimmt durch die häufigen Unterbrechungen erheblich ab. Erfolgreich und konzentriert im Homeoffice zu arbeiten, erfordert darum viel Selbstdisziplin und die Fähigkeit, Prioritäten zu setzen und sich abgrenzen zu können. Das sind aber seltenere Stärken.
  • Erschwerte Kommunikation:
    Für jede Abstimmung muss zum Telefon gegriffen oder eine E-Mail formuliert werden – ein nicht zu unterschätzender Zeitaufwand. Zudem kommt es beim telefonischen Kontakt oder per Mail erwiesenermaßen deutlich häufiger zu Missverständnissen. Nachfragen werden erforderlich. Insbesondere in Teams, bei denen ein Teil im Büro arbeitet, der andere von zu Hause aus, fühlen sich die im Home-Office oft von Informationen abgeschnitten. Kurze Absprachen oder Nachfragen sind nicht mehr mit dem Weg ins Nachbarbüro getan.
  • Karrierekiller:
    Von jungen Coachees bekomme ich häufig die Frage gestellt „was muss ich tun, damit meine Arbeit gesehen wird?“ Um wahrgenommen zu werden, muss man präsent sein, nicht nur körperlich anwesend, sondern energetisch präsent. D.h. man muss für die anderen, speziell die Vorgesetzten, spürbar sein. Das ist man im Homeoffice eindeutig nicht. Homeoffice erschwert damit auch das sog. „2. Programm“, die Pflege und Nutzung von Kontakten zur Verfolgung eigener Ziele wie Karriere, Vergünstigungen, interessante Jobs. Schließlich spielen neben der Arbeitsleistung eine gute Vernetzung eine nicht unerhebliche Rolle. So können die präsenten KollegInnen leicht mehr punkten und bei der Beförderung bevorzugt werden.

 

Verschärfung durch die Corona-Pandemie

 

Diese Nachteile wurden im Zuge des Lockdowns durch die Corona-Maßnahmen noch verstärkt: weitere Isolation durch die Einschränkung sozialer Kontakte, das 24/7 Aufeinanderhocken in der Familie, dazu Kinderbetreuung und Home-Schooling und das Teilen der Logistik (PCs, WLan). Deshalb hatte ich schon im Juni gewarnt, damit zu rechnen, dass ein nicht zu unterschätzender Anteil der Mitarbeitenden angeschlagen aus der Corona-Krise zurückkehren wird. Angeschlagen heißt: eingeschränkt leistungsfähig mit erhöhter Fehleranfälligkeit, schwieriger im sozialen Kontakt, stärker mit persönlichen Dingen (z.B. Eheproblemen) beschäftigt.

Hinzu kommt, dass wir seit Beginn der Corona-Pandemie eine beispiellose offizielle und mediale Angstmache erleben. Das „Narrativ vom Killervirus“ besagt, dass wir es mit einem außergewöhnlichen und extrem gefährlichen Virus zu tun hätten, gegen das nur strikte Hygiene- und Abstandsmaßnahmen helfen. Ich kenne inzwischen Viele, die sich, um ihr Leben zu erhalten, vom Leben ausschließen durch freiwillige Quarantäne bzw. erhebliche Einschränkung ihres Soziallebens und ihres Bewegungsradius. Die kollektive gedankliche Vorwegnahme bedrohlicher Szenarien („italienische Verhältnisse“, „zweite/dritte Welle“, „möglicher neuer Shut-/Lockdown“ etc.) bei gleichzeitiger Abwertung kritischer Einwände, sorgt für eine Daueranspannung, bei der frei flottierende Angst vor einem unsichtbaren Feind kaum noch von berechtigter Sorge zu unterscheiden ist.

Inzwischen melden die psychotherapeutischen Praxen gestiegene Anfragen aufgrund von Angststörungen und Depressionen. Diesmal scheint es auch die zu treffen, die sich sonst vor Stress gefeit fühlen, Denn auch auf Management-Klientel spezialisierte Kliniken verzeichnen erhöhte Anfragen nach Kurztherapien, die sich als Urlaub verstecken lassen.

Ohnehin leidet jährlich 1/3 der erwerbsfähigen Bevölkerung an einer diagnostizierbaren und behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung, d.h. statistisch ist jeder 3. in Ihrem Unternehmen, jeder 3. in Ihrem Team psychisch krank. Die „Top 3“ der Diagnosen sind: Angststörungen, Depression und Belastungsreaktionen.

Bei Erstberatungen zum Thema „Fehlzeiten“ fällt mir immer wieder auf, wie wenig die sogenannten Präsentismus-Kosten im Bewusstsein sind. Das sind Kosten, die dadurch entstehen, dass Mitarbeitende nicht voll leistungsfähig sind, weil sie z.B. psychisch krank sind, unter Stressfolgen leiden oder mit privaten Themen beschäftigt sind. Diese Kosten ergeben sich aus geringerer Produktivität, erhöhter Fehleranfälligkeit, Qualitätsmängeln und Konflikten durch unangemessenes Sozialverhalten. Die Präsentismus-Kosten betragen mindestens das 2,5fache der Absentismus-Kosten ergab eine Studie im Auftrag der Felix-Burda-Stiftung.  

Anforderung an Führung

Die „VUKA-Welt“, Home-Office und Corona-Erfahrungen werden noch zu einem nachhaltigen Kulturwechsel in der Kommunikation, Kooperation und Führung führen. Zum einen geht es natürlich um spezielle Kompetenzen und Tools zur Führung wie virtuelles Führen, Führen auf Distanz und agiles Führen.  Zum anderen geht es auch um gesundes Führen, damit die Führungskräfte unter den veränderten Anforderungen selbst gesund bleiben und auch ihre Mitarbeitenden gesund und leistungsfähig erhalten können.

Da geht es z.B. um einen wachen Blick für Belastungen. Führungskräfte können und sollen nicht diagnostizieren, aber so rasch wie möglich auffällige Veränderungen im Auftreten und der Stimmungslage, des Arbeits-, Sozialverhaltens ihrer Mitarbeitenden wahrnehmen und den Mut haben, diese Veränderungen anzusprechen. Denn je rascher jemand mit psychischen Symptomen in professionelle Behandlung kommt, desto größer sind die Chancen einer vollständigen Rehabilitation. Je länger es zwischen Krankheits- und Behandlungsbeginn dauert, desto größer ist die Gefahr der Chronifizierung.

Führungskräfte müssen wissen, wie sie ein solches Fürsorgegespräch anlegen und welche Hilfen sie seitens des Unternehmens anbieten können. Sie müssen auch wissen, wie Sie selbst Unterstützung leisten können durch eine angemessene Kommunikation und einen der Krankheit angemessenen Einsatz der Mitarbeitenden.

Schließlich empfiehlt sich ein strategisches Stress-Management, um angesichts des Wandels der Arbeitswelt die über Abteilungen und Hierarchieebenen divergierenden Belastungen zu ermitteln, Belastungen, die von außen kommen (Markt, Politik, Kunden, Zulieferer), intern durch Organisation und Abläufe bestimmt sind oder individuell durch unterschiedliche Persönlichkeiten. Es muss geschaut werden, womit man wie leben muss und was wie verändert werden kann. Ebenso, welche Kompetenzen zum Umgang mit diesen Belastungen jeweils erforderlich sind und wie vermittelt werden können. Ein strategisches Stressmanagement dient der Leistungsfähigkeit und damit dem Bestand des Unternehmens.

 

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