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Seit 2013 sind die Unternehmen gesetzlich verpflichtet, jährlich eine psychische Gesundheitsgefährdungsanalyse vorzunehmen und entsprechende Maßnahmen zum Erhalt und zur Förderung der Gesundheit der Mitarbeitenden durchzuführen. Doch für viele Unternehmen steht das Betriebliche Gesundheitsmanagement auf der Agenda allenfalls unter der Rubrik „möglicherweise wichtig, aber nicht dringend“. Und da bleibt es auch, denn tatsächlich gibt es akut meist andere Projekte, deren Effekt auf die Bilanz deutlich höher eingeschätzt wird als Investitionen in die Gesundheit der Mitarbeitenden. Doch ist das ein Trugschluss angesichts alternder Belegschaften und seit Jahren steigender AU-Tage infolge psychischer Erkrankungen und Belastungsreaktionen.

Selten beachtet: Präsentismuskosten

Den Unternehmen entstehen aber nicht nur Kosten durch die AU-Tage, sondern auch durch Präsentismus, d.h. durch Mitarbeitende, die trotz Erkrankung zur Arbeit kommen. Damit meine ich nicht die Erkälteten, die eventuell andere anstecken, sondern Mitarbeitende mit typischen Zivilisationskrankheiten (Herz-Kreislauf-Syndrome, Rückenbeschwerden, Diabetes, Übergewicht …), psychisch Kranke und auch Mitarbeitende mit privaten Problemen. Ihnen allen ist gemeinsam: sie sind nicht voll leistungsfähig. Eine Studie [ext.] im Auftrag der Felix-Burda-Stiftung, an der viele namhafte deutsche Unternehmen und Konzerne teilgenommen haben, kam zu dem Ergebnis, dass die Absentismuskosten mindestens mit dem Faktor 2,5 gerechnet werden müssen, um die Präsentismuskosten zu bestimmen. Diese entstehen beispielsweise durch Fehlerhäufigkeit, Qualitätsmängel, höherem Zeitaufwand etc.

Unternehmen sind Kooperationsarenen

 

Unternehmen sind Kooperationsarenen, weil sie Ergebnisse nur arbeitsteilig und gemeinsam mit allen Mitarbeitenden erzielen können, aber auch, weil sie aus einem Mix aus High-Performern, „Normalos“ und Low-Performern, einem Mix aus sozial kompetenten und schwierigen Mitarbeitenden sowie aus einem Mix aus gesunden und angeschlagenen, beeinträchtigten Mitarbeitenden bestehen. Daran wird kein Betriebliches Gesundheitsmanagement etwas grundlegend ändern. Damit zurecht zu kommen, bleibt Teilaufgabe guter Unternehmens- und Mitarbeiterführung.

Gesundheitsförderung ist der falsche Ansatz

Häufig bekomme ich in den Erstgesprächen in den Unternehmen zu hören: wir machen schon einiges. Meist ist dann vom Apfeltag die Rede oder von Schritte-Challenges und Zuschüssen zum Sportstudio oder von aufklärenden Gesundheitstagen. Trotzdem ernähren sich laut Bericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) gut 70% der Bevölkerung weiterhin falsch: zu viel Kalorien, zu viel Fleisch, zu viel Salz, zu fett, zu wenig Gemüse, zu wenig Obst. Und rund 80% der Deutschen bewegen sich nach wie vor zu wenig.

Wenn also unter BGM verstanden wird, Erwachsene zu einer anderen Lebensgestaltung und beispielsweise mehr Bewegung zu erziehen, versagt das Betriebliche Gesundheitsmanagement tatsächlich größtenteils! Zum einen haben viele Erwachsene genug von Bevormundung, egal ob ihnen die Grünen einen Veggie-Day vorschreiben, die Krankenkassen ihren Lebenswandel kontrollieren oder die Unternehmen ihr Freizeitverhalten beeinflussen wollen.

Zum anderen ist die Macht der Gewohnheit viel stärker als solche Erziehungsversuche. „Veränderungen sind, wie viele Langzeituntersuchungen bestätigen, im Erwachsenenalter relativ selten, wenn sie Dinge der Lebensführung betreffen und von hohem emotionalen Wert sind“, meint der Hirnforscher Gerhard Roth. Denn das „weiter so“ trägt die Belohnung schon in sich: wenig Aufwand und angenehme Gefühle. Dagegen hat unser rational-kognitives Selbst, das über Appelle und Aufklärung erreichbar ist, weder anatomisch noch funktional einen direkten und bemerkenswerten Einfluss auf die Hirnzentren, die unser Verhalten tatsächlich beeinflussen. Das wird vielmehr von unbewussten Programmen und schon viel früher geprägten Hirnarealen gesteuert. Ganz abgesehen von der Frage, wer mehr für seine Gesundheit tut: wer nach 10 Stunden Arbeit + Fahrzeit noch ins Sportstudio oder zum Joggen geht oder wer nach 8 Stunden (auch als Führungskraft) nach Hause geht, mit den Kindern spielt und mit Freunden zusammen ist, ohne Mails zu checken?

Können wir also das BGM in den Wind schießen?

Vorbild allgemeine Gefährdungsbeurteilung

Nein, aber ich glaube, dass ein fast ausschließlich am Lebensstil der Mitarbeitenden ansetzendes Betriebliches Gesundheitsmanagement der falsche Weg ist. In der Reduzierung körperlicher Gefährdungen haben die Unternehmen einen viel besseren Ansatz gewählt. Zum einen haben sie Rahmenbedingungen der Arbeit verändert, zum Beispiel für ergonomische Verbesserungen und Hilfen gesorgt, Verletzungsrisiken minimiert, Maschinen sicherer gemacht. Zum anderen haben sie das innerbetriebliche Verhalten der Mitarbeitenden auf mehr Sicherheit hin geschult. Das Betriebliche Gesundheitsmanagement ändert aber meist nichts an den Rahmenbedingungen, sondern investiert stattdessen in das außerbetriebliche Verhalten der Mitarbeitenden, in deren Ernährung und Bewegung.

7 Tipps für ein nachhaltiges, realistisches Betriebliches Gesundheitsmanagement

Ein nachhaltiges und strategisches Betriebliches Gesundheitsmanagement muss die Rahmenbedingungen der Arbeit in den Blick nehmen und gesundheitsförderlich machen.  
  1. Nehmen Sie das Betriebliche Gesundheitsmanagement als Managementaufgabe wahr Denn schließlich geht es darum, Ihr Unternehmen zukunftsfähig zu halten. Das erfordert eine strategische Planung durch Entscheidungsträger, die eng mit Organisations- und Personalentwicklung und anderen Strategien verbunden ist. Delegation an junge Sachbearbeiterinnen ohne Standing im Unternehmen reicht nur für nice-to-have-Maßnahmen.
  2. Führen Sie eine psychische Gefährdungsbeurteilung durch Sie lässt sich heutzutage schnell und einfach digital am Laptop oder auf dem Smartphone durchführen. Die Mitarbeitenden erhalten anschließend einen individuellen Gesundheitsbericht mit ihren persönlichen Stärken und Schwächen mit Empfehlungen, der auch Grundlage einer persönlichen Gesundheitsberatung sein könnte. Das Unternehmen erhält einen anonymisierten Gesundheitsbericht mit Identifikation relevanter Themen und Zielgruppen, der gleichzeitig Nachweis der gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung ist.
  3. Installieren Sie alternativ extern moderierte Gesundheitszirkel Oft wissen Sie eh, welche Bereiche/Abteilungen oder Mitarbeitergruppen stärker gefährdet sind. Vermehrte Fehlzeiten, nachlassende Leistungen oder Qualität und unzufriedene Stimmungen sind wichtige Hinweise. Die Mitarbeitenden wissen genau, woran es liegt, und vor allem wissen sie als Betroffene, wie es verbessert werden kann – auch ohne dass es das Unternehmen viel kostet.
  4. Bieten Sie Unterstützung Manche Rahmenbedingungen der Arbeit lassen sich kaum ändern. Schichtarbeit z.B., die per se gesundheitsgefährdend ist, kann in vielen Bereichen nicht vermieden werden. Auch die Volatilität des Marktes und die zunehmende Komplexität der Aufgaben gehört zu den momentanen Rahmenbedingungen. Aber Sie können Ihre Mitarbeitenden unterstützen, mit diesen Bedingungen einen angemessenen Umgang zu finden.
  5. Geben Sie sich Zeit Den großen Wurf gibt es nur in den Versprechen der Hochglanzprospekte von BGM- und BGF-Anbietern. Für Ihren Erfolg ist grundlegend wichtig, dass Sie sich der Sache überhaupt ernsthaft annehmen. Identifizieren Sie relevante Handlungsfelder und Themen, priorisieren sie diese nach Aufwand und Effekt und nehmen Sie sich dann jedes Jahr einen Punkt vor. Bleiben Sie dabei agil, um auf konkrete Bedarfe reagieren zu können.
  6. Beachten Sie Ihre Leistungsträger Die sogenannte „interessierte Selbstgefährdung“ macht vielen Führungskräften und Keyplayern zu schaffen. D.h.: zu wissen, dass der eigene Arbeitsstil gesundheitsgefährdend ist, aber zu glauben, daran nichts ändern zu können, um den Erfolg nicht zu gefährden. Selbstgefährdung sowohl aus Angst vor Misserfolg wie auch aus dem Rausch am eigenen Erfolg. Bewahren Sie Ihre Leistungsträger vor Burnout, bieten Sie von sich aus rechtzeitig professionelle Hilfe an, z.B unser Burnout-Präventionsseminar.
  7. Evaluieren Sie ihre Maßnahmen Die Zahl der AU-Tage ist dafür kein ausreichender Index, denn den kann Ihnen eine Grippewelle zerstören. Aber Mitarbeiterzufriedenheit lässt sich einfach messen, Qualität und Kundenzufriedenheit ebenfalls.
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