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Jeder Mensch kennt Angst – das Gefühl einer akuten oder unterschwelligen Bedrohung. Sie ist ein lebensnotwendiges Alarmsymptom, das zu selbstschützendem, selbsterhaltendem Verhalten mobilisieren soll, und darum eins der am frühesten entwickelten Gefühle. Angst ist also nicht per se im psychologischen Sinn krankhaft, sondern ein sinnvoller Schutzmechanismus. Andererseits gehören Angststörungen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in der Allgemeinbevölkerung. Mehr als 15% erkranken jährlich an einer behandlungsbedürftigen Angststörung und beginnen damit oft einen langjährigen Leidensweg, obwohl es gute Hilfen gibt. Gerade jetzt in Corona-Zeiten sind viele Menschen mit Ängsten konfrontiert: Angst und Sorge um Arbeitsplatz und Einkommen; Angst vor der Existenzgefährdung; Angst vor Ansteckung und bedrohlichem Krankheitsverlauf; Angst um nahe Angehörige; Angst vor gesamtgesellschaftlich wirtschaftlichen und politischen Folgen. Und niemand kann behaupten, diese Ängste seien unbegründet. Das Problem allerdings ist, dass die Übergänge von normal und berechtigt über „Macke“ bis hin zur psychischen Erkrankung fließend sind. Oft ist es nur ein gradueller Unterschied im Erleben und in der Wirkung, der schließlich die Erkrankung ausmacht. Nehmen wir zum Beispiel die Angst vor der Ansteckung. Die Wahrscheinlichkeit, im Straßenverkehr zu sterben, ist bedeutend höher als die Gefahr, an Covid-19 zu erkranken. Aber diese Gefahr ist uns vertraut und scheint uns beherrschbar, während wir Covid-19 als heimtückisch und noch nicht beherrschbar erleben. Darum macht uns die unsichtbare Covid-19-Bedrohung mehr Angst als der tägliche Straßenverkehr. Außergewöhnliche Risiken werden einfach überschätzt. Wer nun ohnehin schon zur Selbstbeobachtung neigt, stark auf körperliche Symptome achtet oder sich vor Krankheiten fürchtet, kann jetzt verstärkt mit Panik reagieren und am liebsten jeden zweiten Tag einen Corona-Test machen oder sich ganz von der Außenwelt abschotten.

Von einer Angststörung redet man dann, wenn Angstreaktionen in eigentlich ungefährlichen Situationen auftreten oder in keinem angemessenen Verhältnis zur tatsächlichen Bedrohung stehen. Betroffene erleben die Angst dennoch psychisch und körperlich sehr intensiv. Sie erkennen unter Umständen zwar, dass ihre Angst unangemessen oder unbegründet ist, sie können sie aber dennoch nicht ausschalten oder kontrollieren.

Eine Angststörung kann sich als Angst vor ganz bestimmten Situationen, Gegenständen, Tieren äußern (sogenannte „Phobien“ wie Spinnenangst, Flugangst, Höhenangst, Angst vor Aufmerksamkeit, engen Räumen etc.).

Sie kann sich auch als unspezifische Angst in einem allgemeinen Unruhezustand, in ständigen und vielfältigen Befürchtungen und einer Daueranspannung äußern (generelle Angststörung).

Eine weitere Form der Angststörung sind die Panikattacken, heftige Angstausbrüche ohne konkreten Anlass mit heftigen körperlichen Symptomen und der Angst, zu sterben oder verrückt zu werden.

Jede Angst spielt sich auf mehreren Ebenen ab: in Gedanken, in körperlichen Symptomen und in einem entsprechenden Verhalten. Und auf jeder Ebene gibt es Gradmesser, die den graduellen Unterschied markieren. Wenn Sie also wissen wollen, ob Ihre Angst schon den Bereich des „Normalen“ übersteigt, beantworten Sie sich die folgenden Fragen.

Gedanken:

  • Machen Sie sich schon seit 2 Monaten oder noch länger über viele Dinge Sorgen?
  • Neigen Sie dazu, sich Katastrophen auszumalen?
  • Beschäftigen diese Ängste Sie mehrere Stunden pro Tag?
  • Beeinträchtigen diese Gedanken Ihren Alltag?
  • Können Sie derartige Gedanken nicht oder kaum noch stoppen?
  • Vermeiden Sie deshalb z.B. das Hören/Lesen von Nachrichten?
  • Ist Ihre Stimmung gedrückt oder depressiv?

Körper:

Haben Sie mindestens 4 der folgenden Symptome?:

  • Herzklopfen, Herzrasen, Herzstolpern
  • Schweißausbrüche
  • Übelkeit
  • Zittern
  • Engegefühl in Brust- und Bauchbereich
  • Schwierigkeiten, Luft zu holen und durchzuatmen
  • Kloßgefühl und Schluckbeschwerden
  • Schwindel und Benommenheit
  • Ruhelosigkeit und Unfähigkeit, zu entspannen
  • Aufgedrehtsein oder Nervosität
  • Muskelverspannungen
  • Einschlafschwierigkeiten
  • anhaltende Reizbarkeit wegen der Sorgen und Ängste
  • Angst, ohnmächtig zu werden
  • Angst, die Kontrolle zu verlieren
  • Angst, auszurasten oder verrückt zu werden

Verhalten:

  • Bekämpfen Sie Ihre Ängste mit Alkohol, Medikamenten, Drogen oder übermäßigem Essen?
  • Ziehen Sie sich in Ihr Schneckenhaus zurück?
  • Vermeiden Sie Kontakte?
  • Vermeiden Sie bestimmte Situationen, Orte?
  • Lassen Sie Post ungeöffnet liegen?

Hilfe:

Wenn Sie mehreren dieser Fragen zustimmen müssen, könnte das ein Hinweis auf eine Angsterkrankung sein. Dann sollten Sie in jedem Fall das Gespräch mit Ihrem Hausarzt oder einer/einem Fachfrau/-mann suchen.

Jedenfalls kein Grund, sich zu schämen oder sich zu verstecken, sondern wie bei anderen Erkrankungen auch ein Anlass, sich fachgerechte Hilfe zu holen, z.B. in Form einer Psychotherapie/ Hypnosetherapie. Ein hochwirksames Mittel zur Angstreduktion ist auch das Erlernen und Üben der Meditation.

Zu den möglichen Entstehungsfaktoren von Angststörungen gehören einschneidende persönliche Lebensereignisse in der Vergangenheit, falsch erlernte und verinnerlichte Annahmen und Verhaltensweisen, aber auch körperliche Faktoren wie etwa ein Ungleichgewicht bestimmter Botenstoffe im Gehirn oder genetische Prädispositionen. Sie bilden den Boden, auf dem eine Angststörung entstehen kann. Eine aktuelle Überforderung oder Krisen wie z.B. die Corona-Krise mit ihren Begleiterscheinungen können dann zum Ausbruch der Erkrankung führen.

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